» Die Rückseite der Sonne | Astrid Schwabe, Neues Deutschland, 12. August 2011
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Film: Fred Kelemen

SPUREN DES LICHTS

Am kommenden Wochenende endet mit den Aufführungen der letzten Regiearbeit und der letzten Kameraarbeit Fred Kelemens im Berliner Kino Krokodil die Retrospektive »Die Rückseite der Sonne – Filme von Fred Kelemen«. Ein Jahr lang wurden in jedem Monat im Wechsel die Spielfilme Fred Kelemens, die er als Regisseur und Kameramann realisierte, und die Spiel- und Dokumentarfilme, die er ausschließlich als Kameramann drehte, aufgeführt. Durch dieses Prinzip der Präsentation erwies sich die Werkschau als eine außergewöhnliche Kunst-Aktion – als Zeichen der Beständigkeit, als Zeichen gegen Flüchtigkeit, sich rasch auflösende Eindrücke.

Wie in einer Ausstellung konnte man während eines Jahres immer wieder zu den Filmen zurückkehren und wiederholt Abende mit ihnen verbringen und eintauchen in die filmische Welt Fred Kelemens, der eine solitäre Stellung weltweit einnimmt; nämlich die eines als Autor, Regisseur und Kameramann umfassend und herausragend begabten Künstlers. Seine Arbeiten als Regisseur bilden dabei gemeinsam mit seinen Kameraarbeiten eine komplette künstlerische Welt. Seine Kameraarbeiten für die Filme anderer Regisseure, wie z. B, Béla Tarr, sind keine Ausflüge in Seitenpfade, sondern sie bilden integrierte Stationen auf dem Weg einer Künstlerpersönlichkeit, die seit etwa 20 Jahren unbeirrt eine prägende und bleibende, dunkel leuchtende Spur von Schönheit und Erschütterung durch die Filmlandschaft zieht.

Die Zuschauer nutzten diese kostbare Gelegenheit, dieser Spur zu folgen, für genaueres Verstehen. Da Fred Kelemens Filme »Verhängnis«, »Frost«, »Abendland« und »Glut« in all ihrer Unterschiedlichkeit gleichermaßen ganz und gar auf der visuellen Sprache basieren, also originär "cinegraphisch" sind, ihre Menschenschicksale aus dem Bild herauswachsen und im Bild ihre Erfüllung finden, bieten sie immer wieder neue Ansätze zum Erlebnis und zum Entschlüsseln.

»Glut«, Fred Kelemens bisher letzter Film als Regisseur, ist die Geschichte des lettischen Archivars Mattis, der eines Nachts in Riga auf einer Brücke einer Frau begegnet, die sich in die Tiefe stürzt. Von der Schuld getrieben, sie nicht vor ihrem Tod errette zu haben, begibt er sich in tage- und nächtelangen Streifzügen durch die Stadt auf die Suche nach den Spuren der Unbekannten.

Stellten Filmjournalisten die rhetorische Frage, welcher Film Béla Tarrs letztem Film "The Turin Horse" (Silberner Bär - Großer Preis der Jury der Berlinale 2011), für den Fred Kelemen die wundervollen Bilder schuf, noch folgen könnte, so hatte jener sie schon Jahre vorher mit seiner Ankündigung beantwortet, daß es sein tatsächlich letzter Film sein würde. Im Fall Fred Kelemens muß sich diese Frage aber um so dringlicher stellen; welches wird sein nächster als Regisseur gedrehter Film sein? Seine Spur darf nicht abreißen.
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