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Recherche in Riga | Text: Kristina Tieke | Hannoversche Allgemeine Zeitung
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Existenzielles von Fred Kelemen:
Das Drama „Glut“
Ein Mann, eine Frau, eine nächtliche Begegnung. Das ist die klassische
Konstellation für eine schicksalhafte Wendung – erst recht
im Kino. Der Archivar Matiss Zelcs (Egons Dombrovskis) verpasst jedoch
seine große Chance, als er auf einer Brücke im nächtlichen
Riga
wortlos an einer jungen Frau (Aija Dzerve) vorbeigeht, die sich offenkundig
das Leben nehmen will. Er hört noch das Aufklatschen ihres Körpers
im Wasser, hört auch ihren Hilfeschrei, dann ist die Unbekannte verschwunden.
Gequält von Schuldgefühlen, beginnt er die Spuren ihres Lebens
zu verfolgen und verstrickt sich dabei in ein undurchdringliches Geflecht
aus Liebe und Eifersucht.
Der in Berlin lebende Regisseur Fred Kelemen, nicht erst seit seinem preisgekrönten
Spielfilm „Frost“ dem Prinzip der Langsamkeit verpflichtet,
erzählt die Geschichte um Schuld und Sühne in elegisch langen
Einstellungen. Die Handkamera folgt dem Protagonisten auf seinen ziellosen
Wanderungen durch die Stadt; die Geräuschkulisse von bellenden Hunden,
Vogelgeschrei und vorbeifahrenden Zügen begleitet den Mann.
Im puristischen Einsatz der Mittel und dem kargen Schwarzweiß der
Bilder offenbart sich die existenzielle Wucht des Geschehens.
Dass die seltenen Dialoge jedoch den Charakter der Bilder nicht fortschreiben,
dass sie pathetisch das Geschehen überhöhen und Vergebung und
Glück,
Mensch und Gott ins Spiel bringen, nimmt dem Film viel von seiner spröden
Schönheit. Und von seiner Wahrheit. Denn erst im Aschgrau seiner
Zwischentöne
entwickelt „Glut“ eine reizvolle Lesart.
Wenn der Archivar Matiss Zelcs schließlich seine Recherche in Riga
beendet, bleiben die zentralen Fragen offen. Seine anfängliche Gleichgültigkeit
erscheint so fragwürdig wie sein verspätetes Engagement für
die Frau. Zwischen Schwächen und Stärken, Krisen
und Katharsis bleiben die Protagonisten in der Schwebe. Zwischen Purismus
und Pathos.
Vom 14. bis 19 Oktober im Künstlerhaus. Am Sonnabend um 20.15 Uhr
ist der Regisseur zu Gast.
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