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Glut | Text: Ralph Winkle | Programmkino.de | Oktober 2005
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Originaltitel: Krisana
Deutschland/Lettland 2005
Buch und Regie: Fred Kelemen
Kamera: Baiba Lagzina
Darsteller: Egons Dombrovskis, Nikolaj Korobov, Vigo Roga, Aija Dzerve,
Gundars Silakaktins, Andris Keiss, Rihards Gailiss
90 Min.
Verleih: Basis-Film Verleih
Kinostart: 13. Oktober 2005
Bereits für seinen DFFB-Hochschul-Abschlußfilm „Verhängnis“
bekam Fred Kelemen im Jahr 1995 den Bundesfilmpreis. Susan Sontag nannte
dieses frühe Werk eine „einzigartige visionäre Leistung“.
Jetzt hat der in Berlin lebende Regisseur ein neues, sein bisher überzeugendstes
Werk vorgelegt: „Glut“, ein Höhepunkt des diesjährigen
Internationalen Forums des jungen Films. Die visuell radikale Bildsprache
dieser düsteren Schwarzweiß-Ballade knüpft an beste osteuropäische
Filmtradition und westlichen Film Noir-Stil an.
Die Verbindung zwischen Kino und Tod ist von einem Hauch Mystik umgeben.
Film wird als Reich des Todes gesehen, das Filmbild als toter Abdruck.
Dieses Totenreich jedoch ist unwahrscheinlich schön, da es sich krass
vom Leben unterscheidet; es ist das eigentliche Reich der Schönheit.
In unendlich langsamen Einstellungen, die an die Filme Andrej Tarkowskijs
oder Alexander Sokurows erinnern, und in düster-stimmungsvollen Schwarzweißbildern
dringt Fred Kelemens Film „Glut“ in diese fremde Zone vor.
In der ersten Szene sieht man einen in sich selbst versunkenen Mann (Egon
Dombrovskis) eine Brücke überqueren. Im nächtlichen Nebel
trifft sein Blick den einer Frau (Aija Dzerve), die bereits jenseits des
Geländers steht, zum Sprung bereit. Der Mann geht weiter und hört
erst einen Schrei und dann, wie ein Körper aufs Wasser schlägt.
Von da an begibt sich dieser an seiner Schuld Verzweifelnde auf die Suche
nach der Vergangenheit der in der Styx Verschwundenen und findet ihre
Abschiedsbriefe und Photografien. Die Reise in die Unterwelt beginnt.
Doch Kelemens Film ist nicht mystisch im ursprünglichen Wortsinn,
der die Erkenntnis mit geschlossenen Augen meint. Der Sinn seiner Geschichte
ist unmittelbar sinnlich. Seine Oberfläche ist zugleich seine Tiefe.
Der melancholische Existentialismus dieses Films setzt sich nicht nur
aus den Themen Tod, Schuld und der Suche nach Erlösung zusammen,
sondern auch aus der Poesie der Bilder: Grobes Korn auf der Leinwand,
angeschmutzte Farben - selten hat man in jüngster Zeit im deutschen
Film derart ausdrucksstarke Bilder von Gesichtern, Landschaften und Interieurs
gesehen. Es gibt in dieser Schattenwelt keinen Ort, der an Heimat erinnert,
nur verlassene Bars, sich einsam windende Treppenhäuser, winzige
Zimmer und menschenleere Viertel. Es ist oft Nacht in „Glut“,
dennoch dringt ein Licht aus dem Dunkel, dessen Quelle unsichtbar ist.
Die Handlung wird lakonisch erzählt, und es wird wenig gesprochen.
Dennoch ist es in „Glut“ immer laut, denn jede Einstellung
ist mit Geräuschen untermalt, deren Ursprung nie im Bild präsent
ist: Die Töne kommen von irgend woher, Straßenlärm, spielende
Kinder, Fabriklärm, Hundegebell. Einsamkeit und Verlassenheit verdichten
sich in jeder dieser Einstellungen, und auch der Heil und Vergebung suchende
Held dieser Geschichte wird daran nichts ändern. In der wortreichsten
Szene dieses Films sitzt er dem Liebhaber der verschwundenen Frau gegenüber,
beide trinken Wodka und beklagen die Leere, die ihr Verschwinden hinterlassen
hat. Doch inmitten dieser Verbrüderungsszene, nimmt der verlassene
Liebhaber eine Pistole, verlässt den Raum, und der dann fallende
Schuss reißt wieder ein Loch, in das der Zurückbleibende verschwindet.
Und hier ist sie wieder, diese Verbindung zwischen Kino und Tod, die die
Magie dieses Films ausmacht.
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