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Frankfurter Allgemeine Zeitung | 08.06.2001 | Text: Matthias Ehlert Nachtgestalten Das Stück, das Kelemen wählte, Eugene O'Neills
"Gier unter Ulmen" aus dem Jahre 1924 (im Prater umbenannt in
"Desire"), paßt in diese triste Reihe. Es erzählt
von einsamen, in ein tragisches Schicksal verstrickten Menschen auf einer
Farm in Neuengland, deren versteinerte Herzen nach Liebe gieren. Zwei
Brüder sitzen stumpf vor einem Haus, hinter dessen Fenstern es rot
glüht, als brenne dort das ewige Fegefeuer. Das Haus ist weit und
breit das einzige in der Gegend, ansonsten nur Steine, Kakteen und ein
bedrohlich pfeifender Wind. Die beiden Brüder warten auf ihren Vater,
der weggefahren ist, um sich eine Frau zu suchen. Als er erfolgreich zurückkehrt,
macht sich ein Bruder auf den Weg nach Kalifornien, während der andere
weiter wartet, um irgendwann einmal sein Erbe anzutreten. Irgendwann ist die Bühne vollkommen menschenleer
und nur noch in schönes nachtblaues Licht getaucht. Das Geschehen
spielt sich jetzt ausschließlich auf der Leinwand ab, das Theater
ist nun völlig in Film übergegangen. In sensiblen Nahaufnahmen
fährt die Kamera über die Gesichter, begleitet die Getriebenen
durch das düstere Haus und wendet sich ab, wenn das Unzeigbare geschieht.
Um dem verunsicherten Eben zu beweisen, daß sie nur ihn liebt, bringt
Abbie ihr Kind um. Der fassungslose Eben will sie erst anzeigen, begreift
dann aber den ungeheuerlichen Liebesbeweis und tötet Abbie, um sie
von ihrer Schuld zu befreien. Erst nach diesem gegenüber dem Original
noch zugespitzten Ende kehren die Schauspieler wieder auf die Bühne
zurück. Auf raffinierte Weise führt Kelemen dem Theater hier
vor, wie es vom Film im Laufe der Zeit enteignet wurde, wie Figuren und
Geschichten, Kitsch und Melodram auf die Leinwand auswanderten und am
Ende nur ein leeres, ratloses Theater zurückbleibt. |